Grüße aus Flamingoland

**Der Flamingo ist Floridas Symbol-Tier. Nach einem Austauschjahr Mitte der Achtziger an der Florida State University in Tallahassee, der unbekannten Kapitale des Sunshine State, dachte ich das zumindest lange.**

Zum einen hatte das mit der amerikanischen Kultserie „Miami Vice“ zu tun, die damals mit großem Erfolg im Fernsehen lief. Im Vor- und im Abspann jeder Folge hatten Flamingos – neben Motorbooten, Sportwagen und knapp bekleideten Frauen, die auf dem Ocean Drive flanierten – einen kurzen, aber attraktiven Auftritt. Außerdem quollen in Florida die Souvenir-Shops über vor Flamingos. So kamen zunächst ein aufblasbarer Getränkehalter, ein Pin und eine Uhr in meinen Besitz.

Dass Florida den Flamingo im Wappen trägt, ist allerdings ein ebensolcher Irrtum wie die landläufige Annahme, dass Miami die Hauptstadt sei. Tatsächlich sind Flamingos zwar in der Karibik zu Hause, aber die Vorfahren der heute in Florida beheimateten Artgenossen haben vermutlich in Gefangenschaft gelebt. Biologen sprechen vielmehr vom Kuba-Flamingo. Unterdessen weist das Florida Department of State den Mocking Bird, die Spottdrossel also, als Staatsvogel aus, die in gleicher Funktion freilich auch in Arkansas, Mississippi, Tennessee und Texas amtiert. Für die bundesstaatliche Repräsentanz von Florida hätten sich die dort seit langem verbreiteten Pelikane deshalb vielleicht eher empfohlen.

Florida bleibt für mich trotzdem Flamingo-Land, und aus den paar Andenken, die es damals über den Atlantik zurück in die deutsche Heimat schafften, ist ein schräges Hobby geworden: eine Sammlung, die auf mittlerweile etwa 350 Exemplare angewachsen ist. Ihre charakteristische Farbe verdanken Flamingos ihrer Leibspeise: Sie ernähren sich bevorzugt von kleinen roten Krebsen, deren Pigmente sich in ihrem Federkleid ablagern. Dass sich Rosa gut verkauft, ist nicht erst seit Prinzessin Lillifee bekannt. Längst zählen deswegen auch Flamingos zu den Bestsellern der Geschenkartikel-Industrie. Indes ist der Weg von Rosa zu Kitsch und Trash oft nicht weit. Folgerichtig dominieren Plüsch und Kunststoff die Materialpalette meiner heimischen Flamingo-Kolonie.

Zu den Ausnahmen gehört der jüngste Neuzugang: Eine gut 50 Zentimeter hohe Papierskulptur bestand ursprünglich aus einem Stapel Din a4-Bögen mit mehr als 30 vorgestanzten, teilweise winzig kleinen Einzelteilen. Das Set stammt aus dem Hause paperwolf, dessen kreativer Chef zunächst ein 3D-Modell entworfen und es am Computer dann in zweidimensionale Form übersetzt hat, auf dass geduldige Bastler dem Vogel mit Kleber und Pinzette erneut plastische Gestalt verleihen. Auf diese Weise ist bei paperwolf ein ganzer Zoo entstanden. Mir reicht ein Flamingo, der ohne Corona womöglich immer noch flach in seiner Mappe läge. So aber ist aus den Papierbögen eine kunstvolle Skulptur geworden, die aus der knallfarbenen Menagerie umso deutlicher hervorragt.