Hinter den Schaufenstern

**Normalerweise kann es den Menschen nicht schnell genug gehen. In Pandemiezeiten aber reihen sie sich klaglos in lange Schlangen ein.**

Und sei es nur für einen Donut. Sich in Geduld zu üben, fällt jetzt leichter. Auch der Verzicht. Auf Restaurant-Besuche zum Beispiel. Man begnügt sich mit Essen to go. Deshalb gehören nun (noch mehr) leere Einwegbecher und Pizza-Kartons zum Stadtbild.

Dass Konsum derzeit nur sehr eingeschränkt möglich ist, macht sich in der Fußgängerzone am deutlichsten bemerkbar: Eine Kulisse aus geschlossenen Geschäften lässt kaum mehr als einen Blick durch die Schaufenster zu. Wie verzweifelt die Lage ist, bringt ein letzter reduzierter Preis auf einem letzten Mannequin zum Ausdruck: „Hier stirbt der Modehandel“. Manch ein Restaurant überbrückt die Krise nicht nur mit Lieferdienst, sondern nutzt sie auch zum Renovieren. Dass beides gleichzeitig möglich sein soll, mag man bezweifeln. Andernorts wird der Lockdown hinter Flatterband und Gittern zu einem Lockup.

Auch die Läden, die öffnen dürfen, präsentieren sich nach außen hin anders, als man es gewohnt war. Statt Sonderangeboten plakatiert der Supermarkt Maskenschutz- und Mindestabstandsregeln. Und man sieht sofort, dass Schiersteiner Lieblinge, Mühltaler und andere Verlockungen des Bäckerhandwerks zwar nach wie vor verkauft werden, aber nur an maximal zwei Hungrige gleichzeitig.

Was es für Musiker bedeutet, kein Publikum zu mehr haben, lässt der Stoßseufzer des Staatsorchesters erahnen: „Wir vermissen Sie“, steht schwarz und versal auf türkis grundierter Litfaßsäule. Als würde dort für den nächsten Auftritt geworben. Der Aushang an einer Bushaltestelle lässt einen solchen Gestaltungswillen nicht erkennen und hat doch eigene Poesie.

Irgendwie muss es weitergehen. Auch mit der Jugendarbeit des Kulturzentrums, das diesen Zeiten farbenfrohe Ankündigungen neuer Projekte entgegenhält. Im Altenheim indes wachen Miss Marples strenge Augen über die Einhaltung des Hygienekonzepts. Mit Sprühflaschen, Desinfektionsmitteln und Küchenrolle scheint man dort für den Kampf gegen das Virus gerüstet. Zum Symbol des Corona-Jahres 2020 aber ist die Maske geworden. Ein Wegwerfartikel, der längst zum Alltag gehört – und nach Gebrauch nicht selten zum Stillleben einer neuen Gegenwart wird.