**Frauen kommen in Museen gerade groß raus. Vor allem in der Gegend um Basel, wo Porträt-Malerinnen und Designerinnen im Fokus zweier Ausstellungen stehen.**
Dass der Aufschrei „MeToo“ und die Gender-Kontroverse auch Kuratoren und vor allem Kuratorinnen erfasst haben, zeigt sich im Dreiländereck um Basel gerade besonders deutlich. So belegt die Ausstellung „Close Up“ in der Fondation Beyeler, dass man die Entwicklung der Porträtmalerei seit Beginn der Moderne auch ganz ohne männliche Beteiligung nachzeichnen kann. Im Feuilleton der FAZ habe ich darüber berichtet. Zu den neun Künstlerinnen, die Kuratorin Theodora Vischer ausgewählt hat und mit einer jeweils beeindruckend reichen Werkauswahl präsentiert, gehört nicht zuletzt Paula Modersohn-Becker. Ihr wiederum widmet die Frankfurter Kunsthalle Schirn derzeit eine große Retrospektive.
Nur einen Steinwurf von Beyeler entfernt stehen Designerinnen seit 1900 im Fokus einer Ausstellung des Vitra Museums in Weil. Die kleinteilige Schau mit dem programmatisch kämpferischen Titel „Here We Are“ macht auf Frauen aufmerksam, deren Vita, obwohl sie nicht selten Pionierleistungen vollbrachten, teilweise völlig unerforscht ist. Allen voran Louise Brigham, die in den Geschichtsbüchern, wenn überhaupt, als Sozialreformerin verzeichnet ist. Dabei schrieb die Amerikanerin schon 1909, als Selbermachen längst noch kein Trend war und DIY genannt wurde, ein Buch über „Box Furniture“ mit Anleitungen zum Möbelbau aus Recycling-Material.
Fotos, Plakate und andere Dokumente belegen, dass sich die ersten Designerinnen nicht mehr mit privatem Zeichenunterricht zufriedengaben, sondern sich einen Platz an der Akademie erkämpften und mit ihren plakatgestalterischen Ideen schließlich halfen, die Ziele der zur gleichen Zeit aufmarschierenden Frauenrechtlerinnen unter die Leute zu bringen. Im Mittelpunkt des in vier Kapitel gegliederten Rundgangs stehen freilich die Möbel aus der Vitra-Sammlung, hinter denen sich manche noch nicht oder nur selten erzählte Geschichte verbirgt.
Dass das Bauhaus keine Ausnahme macht und Frauen an der Vorzeigeschule ihren vermeintlich typischen Fähigkeiten entsprechend zu Weberinnen oder Keramikerinnen ausgebildet wurden, brachte der Fernsehfilm „Lotte am Bauhaus“ 2018 einer breiten Öffentlichkeit näher. Zu dieser Erzählung steuert das berühmte „Barcelona Daybed“ nun eine nichtfiktionale Facette bei. So wird als Urheber der Design-Ikone gemeinhin Bauhaus-Meister Mies van der Rohe genannt, nicht aber seine Mitarbeiterin Lilly Reich, obwohl sie ein Patent für die Bespannung angemeldet hatte.
Auf ihrem Weg zum Erfolg hatten es Designerinnen nicht leichter als ihre Kolleginnen aus der Bildenden Kunst. Sie wurden aber offenbar früher souverän und schienen so etwas wie weibliches Design nicht hervorbringen zu wollen. Ein buchstäblich leuchtendes Beispiel dafür liefert der feuerrote Karelia-Sessel, den Liisi Beckmann 1966 entwarf. Das Möbelstück lässt keinerlei Rückschlüsse zu, ob es eine Frau oder ein Mann entworfen hat – und würde im Übrigen nach wie vor jedes Heim schmücken.
Klugerweise machen die Kuratorinnen Viviane Stappmanns, Nina Steinmüller und Susanne Graner in dem der Gegenwart gewidmeten Raum nicht die Gender-Diskussion auf. Die Designerinnen, die sie dort vorstellen, können ihre Geschichte freilich selbst erzählen. Stühle aus Flachs oder die Erforschung der Materialeigenschaften von Algen formulieren die Möglichkeit, dass der Erfolg eines Design-Objekts in Zukunft vielleicht auch von dessen Nachhaltigkeit abhängt. Mit Sicherheit aber nicht mehr vom Geschlecht seiner Schöpfer.
Close Up. Fondation Beyeler Riehen/Basel; bis zum 2. Januar 2022.
Here We Are! Frauen im Design 1900 – heute. Im Vitra Design Museum Weil; bis zum 6. März 2022.
Paula Modersohn-Becker. In der Kunsthalle Schirn, Frankfurt; bis zum 6. Februar 2022.
Bildunterschrift: Installationsansicht »Here We Are! Frauen im Design 1900 – heute« © Vitra Design Museum. Foto: Christoph Sagel © VG Bild-Kunst, Bonn 2021